Maximales Recycling vor Ort
Südlich vom Gotthardstrassentunnel wird derzeit die Schweizer N2 auf 10 km Länge saniert. Das erforderte eine ungewohnte Herangehensweise.
Die Schweizer Autobahn N2 ist die Nord-Süd-Verbindung von Basel nach Chiasso. Im Streckenverlauf befindet sich der bekannte Gotthardstrassentunnel. Südlich dieses Tunnels wird gegenwärtig ein 4-spuriger Autobahnabschnitt von 10 km Länge bis ins Jahr 2022 totalsaniert. Die Gesamtkosten des Projekts betragen 250 Mio. Franken (236 Mio. Euro).
Der vorhandene Strassenkoffer, die Tragschicht, besteht aus Ausbruchmaterial vom Gotthardtunnel.
Sie weist einen Anteil an Feinkörnung von über 8 % aus und ist somit bisher nicht frostresistent. Auch der bestehende Asphaltaufbau genügt den heutigen Belastungen nicht mehr und muss verstärkt werden. Ziel des Bundesamtes für Strassen (Astra), Besitzerin und somit Bauherrin, ist, dass die gesamte Menge des Ausbauasphaltes in den neuen Asphaltschichten vor Ort wiederverwendet werden kann.
Enorme Massen und Entfernungen
Während der Baumaßnahme werden folgende Mengen Kies und Asphalt auf diesem Autobahnteilstück anfallen:
- 55.000 t Kieskoffer,
- 119.000 t Ausbauasphalt von der Baustelle,
- 21.000 t Ausbauasphalt von anderen Baustellen sowie
- 256.000 t Aufbereitung und Einbau von Asphaltbelägen.
Diese Materialmengen ergeben in Summe 25.000 Lkw-Fahrten.
Die nächste leistungsfähige Belagsaufbereitungsanlage liegt 70 km von der Baustelle entfernt. Die Straßenverbindungen dorthin führen entweder über die Autobahn selbst oder über eine Kantonsstrasse. Auch ohne Baustellenverkehr weisst die Autobahn, insbesondere. im Sommer, ein so hohes Verkehrsaufkommen auf, dass tagsüber regelmäßig Staus entstehen.
Ein Durchkommen für die Mischgut-Lkw wäre somit nicht gewährleistet und unkalkulierbar. Die Kantonsstraße führt mitten durch die im engen Leventinatal liegenden Ortschaften. Eine so große Menge an Lastwagenfahrten können der Bevölkerung aus Lärm- und Sicherheitsgründen nicht zugemutet werden. Denn die 25.000 Lkw-Fahrten würden sich bei einer Wegstrecke von 70 km auf 2 Mio. km summieren– das wäre 50-mal um die Erde.
Lösung vor Ort
Aus all diesen Gründen wurde direkt neben der Autobahn auf einem alten Militärflugplatz eine Fläche bereitgestellt für die Installationen einer Asphaltbrechanlage, einer Asphaltmischanlage sowie einer Kieswaschanlage mit Schlammpresse.
Ausserdem wurde eine provisorische Ein- und Ausfahrt auf die Autobahn und damit zur Baustelle direkt neben diesem Installationsplatz gebaut, damit die Transportwege direkt und kurz ausfallen.
Die Bauarbeiten wurden inklusive dieser Installationen ausgeschrieben mit der Auflage, dass die geforderten Recyclinganteilen für die Asphaltbeläge eingehalten werden können. Zudem dürfen die Anlagen nur für diese Baustelle Material herstellen und sie müssen nach Beendigung der Arbeiten wieder abgebaut und der Platz renaturiert werden.
Aufbau für die zukünftige Belastung
Der neue Asphaltbelagsaufbau besteht aus folgenden Schichten mit sehr hohen Recyclinganteilen:
- 3 cm SDA 8-12 (Semidichter Walzasphalt) mit 0 % Ausbauasphalt,
- 8 cm AC B 22 H (Binderschicht) mit 50 % Ausbauasphalt,
- 8 cm AC T 22 H (Tragschicht) mit 50 % Ausbauasphalt,
- 11 cm AC F 22 (bitumengebundene Fundationsschicht) mit 90 % Ausbauasphalt,
- 11 cm AC F 22 (bitumengebundene Fundationsschicht) mit 90 % Ausbauasphalt sowie
- eine 5 cm dicke Abdichtung auf 33 cm Frostschutzschicht.
Die Zielbitumen der einzelnen Recyclingbeläge wurden wie folgt festgelegt und werden mit den folgenden Zugabebitumen erreicht:
- AC B und T 22 H: PmB 45/80-65, Zugabebitumen PmB 90/150-85,
- AC F 22: B 30-55, Zugabebitumen 330/430
- sowie in allen Fällen, keine Verjüngungsmittel
Insgesamt werden es um die 250.000 t Asphalt sein, die für diese Baustelle produziert werden.
Diese Baustelle zeigt, dass es möglich ist, sehr hohe Recyclinganteile in Asphaltbelägen mit hohen Qualitätsanforderungen zu verwenden ohne dass Verjüngungsmittel und Qualitätseinbussen hingenommen werden müssen. Andererseits zeigt sie, dass bituminös gebundene Fundationsschichten mit fast 100%-Ausbausasphalt hergestellt werden können
Erste Schritte
Im Frühjahr 2018 wurde der Installationsplatz erstellt und im August 2018 wurde mit der Montage der Anlagen begonnen. Die Asphaltmischanlage war nach 4 Monaten betriebsbereit und konnte im Mai 2019 nach der Freigabe der Typprüfungen der Beläge die Baustelle beliefern.
Das ganze Verfahren, von der Idee bis zur Realisierung dauerte über 7 Jahre. Die Bewilligungsverfahren für solche Anlagen sind derart kompliziert und benötigen enorm viel Zeit, insbesondere dann noch, wenn wie auch in diesem Fall, Einsprachen zu behandeln sind.
Ebenfalls im Frühjahr 2018 begannen die Vorarbeiten für die Sanierung der A2 im Abschnitt Quinto. Dazu gehörten die Errichtung neuer Kabeltrassen und -infrastrukturen (Kanalisationen und Transformationskabinen) sowie weitere Vorarbeiten. Während der gesamten Dauer der Arbeit werden 2 Fahrspuren pro Fahrtrichtung aufrechterhalten und die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt. Aus Sicherheitsgründen wird bei Staubildung automatisch die Geschwindigkeitsbegrenzung weiter abgesenkt.
Erste Einbauergebnisse
Im Jahre 2019 wurden die Beläge im Mittelstreifen des Autobahnabschnittes zu 80 % eingebaut. Die ersten Erfahrungen zeigen eine gute Qualität aller Beläge. Anpassungen müssen beim Fräsen der bestehenden Asphaltschichten und beim anschließenden Brechen des Fräsmaterials gemacht werden, damit die Kornkurve des Ausbauasphaltes nicht zu fein ausfällt.
Ausserdem ist auch der Qualität des Zugabebindemittels für die AC B- und H-Beläge grosse Beachtung zu schenken. Die Penetration dieses Polymermodifizierten Bindemittels darf keine zu grossen Schwankungen aufweisen und der untere Wert von 90 1/10 mm darf keinesfalls unterschritten werden. 2020 werden die Beläge auf den beiden Fahrspuren und dem Pannenstreifen in Richtung Süd- Nord eingebaut, im Jahre 2021 in Richtung Nord- Süd, so dass die Sanierung Ende 2021 abgeschlossen werden kann. Im darauf folgenden Jahr folgen Restarbeiten wie beispielsweise die Errichtung von Lärmschutzwände.
Anschrift des Autors
Hans-Peter Beyeler
Direktor Eurobitume Switzerland
Sonnhaldenstrasse 64
CH 3210 Kerzers
Mischgutproduktion vor Ort
Ammann lieferte die Asphaltmischanlage, die vor Ort insgesamt 250’000 t Asphalt produzieren wird. Dabei handelt es sich um eine Mischanlage vom Typ ABP HRT. Der Zusatz HRT steht für High Recycling Technologie und weist darauf hin, dass die kompakte Anlage ideal für die Produktion mit einem hohen Anteil an Recycling-Asphalt geeignet ist. Ein integriertes, paralleles Trommelsystem direkt über dem Mischer optimiert den Materialfluss und minimiert gleichzeitig den Verschleiss innerhalb des Recyclingsystems.
Beim System RAH100 erfolgt die Erwärmung des Recyclingasphaltes per Gegenstromverfahren. Somit werden Gesteine und Bitumen indirekt und gleichmässig erwärmt sowie vor Überhitzung geschützt. Somit sind Zugaberaten von 100 % möglich.
Die Anlage ist in der Lage, je nach Feuchte zwischen 240 und 310 t/h Asphalt zu produzieren. Die Gesteinskörnungen werden in Doseuren mit jeweils 15 m³ bevorratet. 2 Silos (120 und 60 m³) lagern den Eigenfüller, ein weiteres (55 m³) Kalkhydrat. Die 4 Bitumentanks fassen 80 m³. Gemischt wird in einem 4-t-Mischer. Das Verladesilo fasst 300 t in 4 Kammern.
Ausserdem lieferte Ammann,(durch Avesco) eine Tandemvibrationswalze ARP 95 sowie eine Gummiradwalze ART 280 für die Baumassnahme.